Mutter Mathilde Testo
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Testo Mutter Mathilde
Vis a vis vom Tor der großen Fabrik da gibts eine Kneipe, die gehört Mutter Mathilde, sehr blond und dick. Schon mancher hat bei ihr verkehrt, weil bei Mutter Mathilde da riecht es gut nach dem und dem und gar nicht so fein, nach klarem Schnaps, nach Bouletten und Fud, und mancher möchte mal gern bei ihr rein, weil bei Mutter Mathilde da spricht man viel von dem und dem aus der großen Fabrik. Gibt manchen Horcher, der mithorchen will,
doch dafür hat man einen sehr scharfen Blick bei Mutter Mathilde.
Wer Betriebszeitungen verteilt, für die da macht die Mutter sehr früh auf. 'n Ratschlag gibts da und Kaffee und Tee, und manchmal gibts 'n Klaren drauf. Und ab Neune kommen dann Paul der Prophet und Kurt ohne Rente in zweiter Instanz, Hans-Jürgen, der auf zwei Krücken geht, und Opaken Thiel und der armlose Franz und noch mancher, den man verarbeitet hat zu Dividendenschrott in der Fabrik.
Nach Schichtschluß dann Bude voll, Quatschen und Skat, und im Nebenzimmer gibts Politik bei Mutter Mathilde.
Vis a vis von Mutter Mathilde da stehn in der Chefetage der Fabrik häufig paar Herren am Fenster und sehn auf Mutter Mathilde mit bösem Blick und denken an Streik und an ähnlichen Schreck. Und sagte einer der Herren dann hart: »Also da drüben der Laden muß weg - aber bitte, zunächst auf die feinere Art.« Und das ist bei Mutter Mathilde geschehn: Kamen zwei Männer mit Mäppchen ins Haus, sagten ein Sümmchen mit sieben Stellen und flogen natürlich achtkantig raus bei Mutter Mathilde.
»Das bleibt nicht dabei«, sagt Paul der Prophet, und Paul der hat dafür 'n Blick. Genau nach 'nem Monat im Anzeiger steht, Jne Straße kommt vis ä vis der Fabrik. Na, und Mutter Mathilde, die kennt seit paar Jahr zum Beispiel einen Sozialdemokrat, der aber noch nicht so verkommen war und auch ein sehr wichtiger Mann bei der Stadt. Und den nahm sie zur Brust und hat ihm erklärt, na ja, von Bündnis und Politik, und der Mann hat gestöhnt und hat auch geschwört: »Kommt keine Straße vis ä vis der Fabrik bei Mutter Mathilde.«
Vis a vis von Mutter Mathilde war Wut in der Chefetage der Fabrik. Die Herren kennen aber natürlich sehr gut, wenns so nicht geht, den letzten Trick. Man telefonierte dem Nazitrupp, der so was am Ende dann für die macht, und der schlug dann Tische und Tresen kaputt bei Mutter Mathilde nach Mitternacht. Der Staatsanwalt hat die Schultern gezuckt ein bißchen aus Angst, ein bißchen aus Freud. Mutter Mathilde hats in den Fingern gejuckt und natürlich auch allen anderen Leut bei Mutter Mathilde.
»Ruhig Blut bewahrt und nichts übereilt«, sagt Rudi, und der hat dafür 'n Blick. Und Flugblätter wurden gedruckt und verteilt, und wieder war Wut in der großen Fabrik. Und zogen paar Männer rüber zum Boß und machten ihm und den Herren schnell klar: Die Werkschreinerei repariert kostenlos bei Mutter Mathilde das Inventar. Noch heute erzählt man von jenem Fest, von Mutter Mathildes Tresentanz, vom Singen und Saufen und von dem Rest und auch von dem Kopfstand des armlosen Franz bei Mutter Mathilde.
Vis a vis vom Tor der großen Fabrik
da gibts eine Kneipe, die gehört
Mutter Mathilde, sehr blond und dick.
Schon mancher hat bei ihr verkehrt,
weil bei Mutter Mathilde da riecht es gut
nach dem und dem und gar nicht so fein,
nach klarem Schnaps, nach Bouletten und Fud,
und mancher möchte mal gern bei ihr rein,
weil bei Mutter Mathilde spricht man auch viel
von dem und dem aus der großen Fabrik.
Komm mal rein! Das heißt, wenn du mitmachen willst,
denn im Nebenzimmer gibts Politik,
bei Mutter Mathilde.
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