Der Stenz Testo
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Testo Der Stenz
Ich hab ihn tatsächlich wiedergesehn. ich hab's nicht geglaubt. Ich dachte, ich spinn
ich zappte und blieb dann hängen irgendwo -
ne TaIk-Show, die hieß "Zu Gast bei mir" oder so.
Da saß er, braungebrannt, weißhaarig, schmal, halb Business-Man, ganz cool, halb pastoral. Vielleicht war's dieser Zug um Nase und Mund
oder der Kopfruck, mit dem er so gekonnt die Locke früher aus der Stirne schmiss.
Jedenfalls war ich mit plötzlich ganz gewiss:
Ja, das ist er, ja, das ist er, der alte Stenz, Provinz-Charmeur.
"Professor Schmandhoff", stellt sie ihn vor,
die Moderatorin mit Kettchen im Ohr. "Er ist 73, doch kein Pensionär."
Er lacht und sagt: Nein, Rechercheur.
"Ein Forscher also, sagt sie, sind sie mithin"
"Nein - ein Sucher", sagt er, "nach Werten und nach Sinn.
Nach Werten und nach Sinn in einer Zeit, wo nichts mehr sicher ist außer Unsicherheit.
Ich leite ein Institut, das sich damit befasst, und lad' Sie ein, und dann sind Sie mein Gast."
Ja, der Horsti ist es, absolut klar, der Stenz in unserem Viertel, der er mal war,
der Fähnlein-Führer, dann Panzer-Kommandant, der "Iwan-Schrecken", hat er sich genannt.
Dann Schwarzmarkt-König, dann Schnaps-Fabrikant, bis er als Auto-Händler nach Afrika verschwand. Wir haben ihn dann aus den Augen verlor'n.
"Ich bin dreimal gestorben und auch wiedergebor'n",
das sagt er jetzt so in die Kamera, Mein Karma ist das, und mein Charisma".
Ja, das ist er, ja, das ist er,...
Wie's weiterging, das zählt er auf,
ein echter Horsti-Schmandhoff-Lebenslauf:
Zurück aus Afrika, da gründet er die Billig-Klamotten-Kette "BeI Air,
wird reich, macht Pleite und ist wieder arm, dann 'nen Reiterhof, dann eine Schönheits-Farm.
In der Touristen-Branche scheitert er bald, und auch als Grundstücks-Makler wird er nicht sehr alt. Doch dann die "H.G.S.-Production" mit
events and entertainment - der große Hit.
Und führt in dieser Branche den Markt. Doch dann, ganz plötzlich, Herzinfarkt. Drei Bypässe, zwei Jahre lang pausier'n
und über sich und das Leben an sich sinnier?n, da, wo's drauf ankommt, schließlich und letzthin.
Die Moderatorin fragt: "Auf Werte und auf Sinn?"
"Genau", sagt er, "doch wie kommt man dahin?"
"Sie sagen es uns", sagt die Gastgeberin.
Er senkt den Kopf und wirft ihn ins Genick. Genau so schmiss er früher die Locke zurück.
"Erst", sagt er, "geht's um Renovieren,
den Wahrnehmungsapparat neu justieren. In sich hineinhorchen und hören, wie's da steht."
Da habe ich den Ton dann abgedreht,
und sah ihn nur noch schwadronieren und wie er schwoll, der Zug um Nase, Kinn und Mund. Das Studio-Publikum lauschte gebannt.
Die Moderatorin hielt seine Hand.
Das Kettchen in ihrem Ohr, das zitterte nu'.
Da hob ich dann mein Glas und trank ihm zu, dem alten Stenz, Provinz-Charmeur, á la bonne heure, á la bonne heure.
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